Das Finanzgericht Hamburg (FG) hat in einem Beschluss den durch einen überwiegenden Gesellschafterwechsel verursachten vollständigen Verlustuntergang als möglicherweise verfassungswidrig beurteilt. Nunmehr hat es auch den maßgeblichen Sachverhalt und vor allem die Beschlussbegründung zu diesem bedeutenden Verfahren, das dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgelegt worden ist, veröffentlicht.
In dem zugrunde liegenden Streitfall hatte die bisherige Alleingesellschafterin einer Grundstücksentwicklungs-GmbH ihre Anteile im Jahr 2008 an einen Konzern verkauft. Bis dahin hatte die Gesellschaft allerdings Verluste erwirtschaftet, die nach Meinung des zuständigen Finanzamts, das sich auf den mit Wirkung vom 01.01.2008 eingeführten § 8c Satz 2 KStG berief, durch den Gesellschafterwechsel untergegangen sind.
Die Hamburger Richter sehen in dieser Vorschrift einen Verstoß gegen das sogenannte Trennungsprinzip, wonach die Sphäre der Gesellschaft steuerlich strikt von der Sphäre des Gesellschafters zu trennen ist. Denn für den Verlustuntergang werde allein auf die Ebene des Gesellschafters abgestellt; die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gesellschaft hänge aber gerade nicht davon ab, wer Gesellschafter sei und wer die Kontrolle innehabe.
Eine Rechtfertigung für diese Durchbrechung des Trennungsprinzips konnten die Richter nicht erkennen. Eine Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen scheide jedenfalls aus, weil die Regelung keine typischen Missbrauchsfälle erfasse, sondern vielmehr auch jeden „Normalfall“ eines Gesellschafterwechsels sanktioniere und damit als allgemeiner Abzugsausschluss wirke.
Auch die für eine Verlustnutzung erforderliche Wahrung der wirtschaftlichen Identität der Gesellschaft gehe durch die überwiegende Anteilsübertragung nicht verloren. Die unwiderlegbare Vermutung, dass bereits die Möglichkeit der Einflussnahme des Käufers die Gesellschaft zu einer „anderen“ mache, sei nicht tragfähig. Durch den Verzicht auf eine Einschränkung der Wirkung auf tatsächliche Missbrauchsfälle verfehle die Vorschrift ihren Zweck, nämlich Änderungen der wirtschaftlichen Identität zu erfassen.
Hinweis: Da das BVerfG schon beschlossen hat, dass der teilweise Verlustuntergang verfassungswidrig ist, stehen die Chancen gut, dass auch der vollständige Verlustuntergang als verfassungswidrig eingestuft wird. Betroffene Fälle sollten in jedem Fall mit dem Einspruch offengehalten werden.
Gerät ein Unternehmen in finanzielle Nöte, beteiligen sich dessen Gläubiger häufig mit einem Forderungsverzicht an der Rettung. Die regulären steuerlichen Folgen dieser Hilfsmaßnahmen würden die Sanierungsbemühungen allerdings schnell zunichtemachen, denn durch den Schuldenerlass entsteht beim notleidenden Unternehmen ein Gewinn (Erhöhung des Betriebsvermögens), der grundsätzlich der Besteuerung unterliegt. Damit ein Steuerzugriff die Sanierung nicht belastet oder gleich komplett zunichtemacht, durften diese Gewinne nach dem sogenannten Sanierungserlass des Bundesfinanzministeriums (BMF) in bestimmten Fällen aus sachlichen Billigkeitsgründen unbesteuert bleiben.
In einer viel beachteten Grundsatzentscheidung hatte der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) den Sanierungserlass im Jahr 2016 als unrechtmäßig eingestuft. Er verwies damals darauf, dass der Gesetzgeber die gesetzlich verankerte Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne bereits im Jahr 1997 abgeschafft hat und die Finanzverwaltung nicht dazu berechtigt war, diese Gewinne fortan aufgrund einer eigenen Entscheidung von der Besteuerung auszunehmen. Nach Gerichtsmeinung war in diesem „Alleingang“ ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu sehen. Indem das BMF typisierende Regelungen für einen Steuererlass geschaffen hatte, hatte es nach Ansicht des BFH eine strukturelle Gesetzeskorrektur vorgenommen und damit das sowohl verfassungsrechtlich als auch einfachrechtlich normierte Legalitätsprinzip verletzt.
Nach dem Richterspruch hatte das BMF die Finanzämter im April 2017 angewiesen, den Sanierungserlass gleichwohl noch in Altfällen anzuwenden. Als Altfall wurden Fälle definiert, in denen die Gläubiger bis einschließlich 08.02.2017 (Tag der Veröffentlichung der BFH-Grundsatzentscheidung) endgültig auf ihre Forderungen verzichtet hatten.
In einem neuen Urteil hat der BFH nun auch dieser Anwendung auf Altfälle eine klare Absage erteilt. Nach Meinung des Gerichts verstößt die Altfall-Anordnung des BMF in gleicher Weise gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wie der Sanierungserlass selbst.
Hinweis: Inzwischen wurden im Einkommen- und Gewerbesteuergesetz antragsgebundene Steuerbefreiungen für Sanierungsgewinne geschaffen, die jedoch nicht auf Altfälle anwendbar sind.
Ein spannender, wenn auch noch nicht abschließend entschiedener Fall ist kürzlich vor dem Finanzgericht Köln (FG) verhandelt worden. Geklagt hatte ein Anwalt, der deutscher Staatsbürger und in Deutschland beschränkt steuerpflichtig war. Er lebte in Belgien und hatte u.a. in Deutschland Einkünfte als Anwalt. Außerdem hatte er, wie für Anwälte in Deutschland zwingend vorgeschrieben, Pflichtbeiträge an das Rechtsanwaltsversorgungswerk geleistet. Diese Beiträge wurden allerdings bei seinem steuerpflichtigen Einkommen in Deutschland nicht einkommensmindernd berücksichtigt.
Das FG hat in diesem Fall allerdings noch keine Entscheidung getroffen. Stattdessen hat es zu diesem Fall vorab einige Fragen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gestellt, da sich hier möglicherweise deutsches und europäisches Recht in die Quere kommen. In einem solchen Fall ist das europäische Recht höherrangig und das deutsche Recht kommt nicht zur Anwendung. Eine Entscheidung darüber, wie das europäische Recht ausgelegt wird, bleibt aber dem EuGH vorbehalten.
Die Frage des FG lautet, inwiefern die Abzugsbeschränkung für Vorsorgeaufwendungen bei beschränkt Steuerpflichtigen gegen die Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU verstößt. Eine ähnliche Regelung hatte der EuGH schon einmal gekippt. Die daraufhin erfolgte Gesetzesänderung ist aber nach Auffassung des FG nicht ausreichend, um die Unterschiede zwischen der Besteuerung von unbeschränkt Steuerpflichtigen und beschränkt Steuerpflichtigen auszugleichen.
Nach Auffassung des FG ist die Abzugsbeschränkung in der bestehenden Form diskriminierend. Der EuGH soll daher darüber entscheiden, ob die Diskriminierung „erträglich“ ist oder ob tatsächlich die Niederlassungsfreiheit behindert und daher die bestehende Regelung nach europäischem Recht unzulässig ist. Das Ergebnis bleibt abzuwarten.
Hinweis: Sie erkennen sich in diesem Fall wieder oder kennen Personen, die von dieser Regelung betroffen sind? Wir beraten Sie gern ganz konkret, wie Sie zu Ihrem Recht kommen.
Wenn Sie als Vermieter in den ersten drei Jahren nach der Anschaffung eines Mietobjekts umfangreiche Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen an der Immobilie durchführen, drohen Ihnen erhebliche steuerliche Nachteile: Die dabei entstehenden Kosten – die eigentlich als Erhaltungsaufwendungen sofort steuerlich abgezogen werden können – werden vom Finanzamt zu sogenannten anschaffungsnahen Herstellungskosten umgedeutet, wenn sie (ohne Umsatzsteuer) 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen.
Hinweis: Diese Umdeutung bewirkt, dass sich die Instandsetzungs- oder Modernisierungskosten nur noch über die Abschreibung des Gebäudes von regelmäßig 2 % pro Jahr steuermindernd auswirken.
Eine Vermieterin aus Nordrhein-Westfalen hat nun vor dem Bundesfinanzhof (BFH) erstritten, dass sie die Kosten für die Instandsetzung einer Wohnung nach einer mutwilligen Beschädigung durch die Mieterin sofort als Werbungskosten absetzen kann. Sie hatte im Jahr 2007 eine mangelfreie Wohnung erworben und das bestehende Mietverhältnis zunächst fortgeführt. Nachdem sich die Mietparteien in einen Zivilrechtsstreit begeben hatten, zog die Mieterin aus – hinterließ in der Wohnung aber eingeschlagene Scheiben, Schimmelbefall, einen Rohrbruch und zerstörte Bodenfliesen. Die Vermieterin setzte die Räume für rund 20.000 € wieder instand und zog diesen Betrag in voller Höhe als Erhaltungsaufwand in ihrer Einkommensteuererklärung ab. Das Finanzamt verwies jedoch darauf, dass die Sanierung innerhalb der ersten drei Jahre nach dem Immobilienkauf erfolgt und die 15-%-Grenze überschritten sei, sodass die Kosten lediglich in die Abschreibung der Immobilie einbezogen werden könnten.
Der BFH gab nun jedoch grünes Licht für einen Sofortabzug der Aufwendungen. Nach Gerichtsmeinung gehören die Kosten für Instandsetzungsmaßnahmen nicht zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten, wenn ein Schaden beseitigt wird, der beim Kauf der Immobilie noch nicht vorhanden oder (aufgrund alter Bausubstanz) „angelegt“ war, sondern nachweislich erst zu einem späteren Zeitpunkt durch ein schuldhaftes Handeln des Mieters verursacht worden ist.
Hinweis: Für den Sofortabzug von Instandsetzungskosten ist also von zentraler Bedeutung, dass die Wohnung zunächst mangelfrei war und die Schäden nachweislich erst später herbeigeführt worden sind. Den mangelfreien Ausgangszustand der Wohnung können Vermieter dem Finanzamt beispielsweise durch Fotos oder Übergabeprotokolle nachweisen; häufig ist der Zustand des Objekts auch direkt im Mietvertrag dokumentiert.
Die Kosten für den Weg zur Tätigkeitsstätte hängen direkt mit dem Lohn oder dem Gehalt zusammen. Damit qualifizieren sie sich als Werbungskosten und mindern das zu versteuernde Einkommen – und damit möglicherweise auch die Einkommensteuer. Zur vereinfachten Ermittlung der Fahrtkosten dürfen Sie für die einfache Entfernung zwischen Wohn- und Tätigkeitsstätte 30 Cent pro Kilometer ansetzen. Was aber dürfen Sie geltend machen, wenn Sie am Beschäftigungsort übernachten und erst einen Tag später nach Hause zurückkehren?
Über diese Frage stritt sich vor dem Finanzgericht Münster (FG) ein Flugbegleiter mit dem Finanzamt. Er wollte in seinem speziellen Fall die Fahrtkosten für den Arbeitsweg pro Arbeitstag als Werbungskosten ansetzen: Fuhr er an einem Tag zu seiner Tätigkeitsstätte und auch wieder zurück: 30 Cent pro Entfernungskilometer. Fuhr er nur zu seiner Tätigkeitsstätte und übernachtete dort: 30 Cent pro Entfernungskilometer. Fuhr er nach der Übernachtung an einem späteren Tag wieder nach Hause zurück: ebenfalls 30 Cent pro Entfernungskilometer.
Das FG entschied diesen Streit zuungunsten des Flugbegleiters. Denn im Gesetz steht, dass die Entfernungspauschale nur für Arbeitstage angesetzt werden kann, an denen der Arbeitnehmer die „Tätigkeitsstätte aufsucht“. Damit ist offensichtlich der Hinweg gemeint. Aufgrund dieser Auslegung konnte der Flugbegleiter keine weiteren Fahrtkosten für den Rückweg geltend machen.
Hinweis: Die Rechtsprechung ist hier nicht einheitlich. Gegen das Urteil des FG ist Revision eingelegt worden. Wir informieren Sie über den Fortgang des Verfahrens.
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