Mandanteninformationen für November 2020

11. Februar 2021

Vertragliche Mindestbindungsfrist: Entschädigung bei vorzeitiger Vertragsbeendigung umsatzsteuerpflichtig

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat kürzlich zur Frage, ob die Entschädigung bei Nichteinhaltung einer vertraglichen Mindestbindungsfrist der Umsatzsteuer unterliegt, entschieden.

Im Urteilsfall bot die Klägerin ihren Kunden Verträge für verschiedene Telekommunikationsdienst­leistungen (z.B. für Festnetz, Mobil oder Internet) an. Die Verträge konnten für eine bestimmte Min­destlaufzeit abgeschlossen werden. Die Klägerin gewährte im Gegenzug den Kunden gewisse Vor­zugskonditionen (z.B. kostenlose Installation und Aktivierung der Dienste). Ziel war es, durch die Mindestlaufzeit einen Teil der von der Klägerin verauslagten Kosten für Geräte und Infrastruktur wiederzuerlangen. Sobald ein Kunde die Mindestlaufzeit nicht einhielt, war er verpflichtet, eine Zah­lung für die vorzeitige Vertragsbeendigung zu leisten.

Strittig war, ob die von den Kunden nach Vertragsbeendigung gezahlten Beträge steuerpflichtiges Entgelt für die Leistungen der Klägerin oder Schadenersatz waren.

Nach Auffassung des EuGH ist der zu zahlende Betrag des Kunden für eine vorzeitige Vertrags­beendigung, die er selbst verursacht hat, ein umsatzsteuerpflichtiges Entgelt. Die Zahlung des Kunden sei eine Gegenleistung für den Anspruch auf Erfüllung des Vertrags, den der Kunde abge­schlossen habe. Das gelte auch dann, wenn der Kunde diesen Anspruch nicht wahrnehmen wolle oder könne.

Hinweis: Die Abgrenzung zwischen Schadenersatz und Entgelt ist in der Praxis immer wieder erforderlich. Das Urteil ist für alle Unternehmer bedeutsam, die Verträge mit einer Mindestbin­dungsfrist abschließen (z.B. Telekommunikationsunternehmen, Leasingunternehmen, Fitness­studios).

 

Europäischer Gerichtshof: Umsatzsteuerliche Behandlung von Hosting-Diensten in einem Rechenzentrum

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich aktuell mit der umsatzsteuerlichen Behandlung von Hosting-Diensten in einem Rechenzentrum beschäftigt, insbesondere damit, ob der Leistungsort der Belegenheitsort des Grundstücks ist.

Ein Unternehmen mit Sitz in Finnland bot Hosting-Dienste für Betreiber von Telekommunikations­netzen an. Es stellte dafür abschließbare Geräteschränke bereit, in denen die Kunden ihre eigenen Server unterbringen konnten. Zum Leistungsumfang gehörten ebenfalls die Stromversorgung, Klimati­sierung und Überwachung, um die Server optimal nutzen zu können. Die Schränke waren am Boden festge­schraubt und in den Schränken die Server. Diese konnten jedoch innerhalb weniger Minuten wieder ausgebaut werden. Die Kunden hatten keinen unmittelbaren Zugang zu ihrem Schrank, son­dern erhielten nach einer Identitätskontrolle einen Schlüssel hierfür.

Die Beteiligten stritten darüber, ob die Überlassung der Geräteschränke als eine in Finnland steuer­freie Vermietung einer Immobilie zu qualifizieren war oder als eine in Finnland steuerpflichtige Leistung in Verbindung mit einem Grundstück oder ob sie am Sitz der Kunden (ggf. im Ausland) steuerbar war.

Der EuGH verneinte zunächst, dass das Zurverfügungstellen der Räumlichkeiten, in denen die Gerä­teschränke aufgestellt waren, ein Vermietungsumsatz war. Da die Hosting-Dienste nicht nur die Über­lassung des Stellplatzes des Geräteschranks umfassten, sondern auch weitere Dienstleistungen, liege kein Vermietungsumsatz vor.

Zudem sah der EuGH keinen ausreichend direkten Zusammenhang der Hosting-Dienste mit dem Grundstück. Sie bildeten zum einen keinen wesentlichen Bestandteil des Gebäudes, in dem sie ständen, sodass das Gebäude ohne sie nicht als unvollständig anzusehen sei. Andererseits seien die Schränke nicht auf Dauer installiert, da sie nur am Boden festgeschraubt worden seien.

Ferner verneinte der EuGH, dass die Hosting-Dienste als Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück anzusehen waren. Der Leistungsort sei demnach nicht der Belegenheitsort des Grundstücks. Den Kunden stehe kein ausschließliches Recht zu, die Gebäudeteile, in denen die Schränke stünden, zu nutzen.

Hinweis: Sowohl Dienstleister, die z.B. Maschinen oder Anlagen in Gebäuden installie­ren, als auch deren Kunden sollten prüfen, ob die zu erbringenden Leistungen grundstücksbe­zogen sind. Das gilt sowohl für die Eingangs- als auch für die Ausgangsleistungen. Wir beraten Sie gern!

 

Geschäftsführer einer gGmbH: Unverhältnismäßig hohe Vergütungen führen zum Entzug der Gemeinnützigkeit

Nach einem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) können unverhältnismäßig hohe Geschäftsführervergütungen dazu führen, dass gemeinnützigen Körperschaften ihr Gemein­nützigkeitsstatus entzogen wird.

Geklagt hatte eine gemeinnützige GmbH, die hauptsächlich Leistungen im Bereich der Gesundheits- und Sozialbranche (psychiatrische Arbeit) erbringt. Das Finanzamt hatte festgestellt, dass der Ge­schäftsführer jährlich zwischen 136.000 € und 283.000 € als „Gesamtausstattung“ erhielt, und der Gesellschaft infolgedessen die Gemeinnützigkeit entzogen (wegen Mittelfehlverwendung). Die Gesell­schaft hatte Jahresumsätze zwischen 7,7 Mio. € und 15,2 Mio. € erwirtschaftet.

Der BFH folgte der Auffassung des Finanzamts in weiten Teilen. Ob eine unverhältnismäßig hohe Ver­gütung vorliegt, muss nach dem Urteil zunächst durch einen sogenannten Fremdvergleich ermittelt werden. Zu diesem Zweck können allgemeine Gehaltsstrukturuntersuchungen für Wirtschafts­unternehmen herangezogen werden.

Eine unangemessene Vergütung liegt nach dem Urteil jedoch erst für Bezüge vor, die den oberen Rand der angegebenen Gehaltsbandbreite um mehr als 20 % übersteigen. Das Gericht verwies darauf, dass von den Vergleichsgehältern kein Abschlag für Geschäftsführer von gemeinnützigen Organisationen vorgenommen werden muss. Ein Entzug der Gemeinnützigkeit erfordert zudem ergänzend, dass die betroffene Gesellschaft nicht nur geringfügig gegen das Mittelverwendungs­gebot verstoßen hat.

Hinweis: Die Entscheidung ist von weitreichender Bedeutung für die Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, da sie die Grundlagen für die Ermittlung von noch zulässigen Geschäftsführer­bezügen aufzeigt und diese Grundsätze auch auf andere Geschäftsbeziehungen mit gemeinnützi­gen Körperschaften übertragen werden können (z.B. auf Miet-, Pacht- und Darlehensverträge).

 

Einkommensteuer: Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung

Als Vermieter fährt man ab und an zu seinen Objekten. Sei es, um nach dem Rechten zu sehen, eine Wohnung von Mietern wieder zu übernehmen oder an neue Mieter zu übergeben. Die hierbei anfal­lenden Fahrtkosten sollen natürlich auch bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berück­sichtigt werden. Aber wie? Mit der Entfernungspauschale oder mit den tatsächlich gefahrenen Kilome­tern? Das Finanzgericht Köln (FG) musste in einem solchen Fall entscheiden.

Der Kläger hat verschiedene Mietobjekte in X, Y und Z. Daneben bezieht er in X Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. In Z ist er nichtselbständig tätig. In seinen Einkommensteuererklärungen 2015 und 2016 machte er Kosten für Fahrten nach X sowie für Beschaffungsfahrten, Verpflegungsmehrauf­wendungen und Übernachtungspauschalen in X geltend. Diese Aufwendungen ordnete der Kläger prozentual den einzelnen Objekten zu sowie im Jahr 2015 zu 5 % den Einkünften aus Land- und Forstwirt­schaft. Das beklagte Finanzamt reduzierte die gefahrenen Kilometer durch Halbierung auf die Ent­fernungskilometer und wendete hierauf die Entfernungspauschale von 0,30 € an. Den sich so erge­benden Betrag reduzierte es dann noch um einen geschätzten Privatanteil von 40 %. Die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen und pauschalen Übernachtungskosten ließ es nicht zum Abzug zu.

Das FG gab dem Kläger teilweise recht. Die Fahrtkosten nach X bzw. Y können tatsächlich nur mit der Entfernungspauschale angesetzt werden – allerdings ohne Reduzierung um einen Privatanteil. Die Berücksichtigung dieser Fahrtkosten ist auch im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpach­tung möglich. Denn Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte können mit der Entfernungs­pauschale geltend gemacht werden. Die beiden Mehrfamilienhäuser in X und Y sind für den Kläger jeweils die erste Tätigkeitsstätte hinsichtlich der Einkünfte aus dem jeweiligen Objekt. Die Fahrtkosten sind dabei weder um einen Privatanteil von 40 % zu kürzen noch im Jahr 2015 um einen auf die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft entfallenden Anteil von 5 % zu reduzieren. Die Kosten der Fahrten zwischen den beiden Objekten in X und in Y sind aber mit den tatsächlichen Kos­ten bzw. gefahrenen Kilometern anzusetzen, da es sich insoweit um Fahrten zwischen zwei ersten Tätigkeits­stätten handelt. Die Beschaffungsfahrten sind mit 0,30 € je gefahrenen Kilometer anzuset­zen. Verpfle­gungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten sind nicht zu berücksichtigen.

Hinweis: Gerne unterstützen wir Sie bei der Ermittlung Ihrer Einkünfte und beraten Sie hinsichtlich der Aufwendungen, die Sie steuermindernd geltend machen können.

 

Mindestbeteiligung: Reicht für Steuerfreiheit das wirtschaftliche Eigentum aus?

Nach dem hiesigen Unternehmenssteuerrecht bleiben Dividenden unter Kapitalgesellschaften nahezu steuerfrei. Lediglich etwa 1,5 % muss eine Kapitalgesellschaft auf eine empfangene Ausschüttung an den Fiskus entrichten – vorausgesetzt, die Beteiligung beträgt zu Beginn des Kalenderjahrs der Aus­schüttung mindestens 10 %. In einem kürzlich vor dem Finanzgericht München entschiedenen Fall hielt eine Kapitalgesellschaft (bis zum Jahr 2013) 9,898 % an einer Aktiengesellschaft (AG). Im Hin­blick auf eine beabsichtigte Ausschüttung der AG im Jahr 2014 schloss die Klägerin mit dem Haupt­aktionär am 16.12.2013 einen Kaufvertrag über 50 Aktien, wodurch sie beabsichtigte, die 10-%-Hürde zu meistern.

Der Kaufvertrag wurde unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen, dass das Eigentum an den Aktien erst mit Kaufpreiszahlung an die Klägerin übergehen sollte. Die Klägerin wollte die Überwei­sung auch unverzüglich vornehmen, doch leider schlug die Überweisung aufgrund eines Missge­schicks fehl. Die korrekte Überweisung des Kaufpreises konnte somit erst zu Beginn des Jahres 2014 erfolgen.

Fraglich war mithin, ob die Klägerin zu Beginn des Jahres 2014 die erforderliche Mindestbeteiligung innehatte. Die Richter vertraten die Auffassung, dass dies erfüllt sei, denn durch den Abschluss des konkreten Vertrags sei das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien bereits im Dezember 2013 übergegangen. Durch den Vertrag habe die Klägerin eine das Gewinnbezugsrecht und mögliche Wertveränderungen der Aktien umfassende Position erworben, die ihr gegen ihren Willen nicht mehr entzogen werden könne und zum maßgeblichen Stichtag 1. Januar auch noch fortbestehe.

Hinweis: Ob die Richter des Bundesfinanzhofs das genauso beurteilen, wird sich noch zeigen – dort ist der Fall zurzeit anhängig.

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